Die Schwangerschaft muss keine per se lustfreie Zeit sein. Im Gegenteil: Einige Schwangere können aufgrund der hormonellen Umstellung gar nicht genug von Erotik und Sex bekommen. Dennoch fragen sich einige, ob sie ihren erotischen Gelüsten einfach so nachgehen können. Und: Gilt das nur für den „normalen“ Sex oder auch für besondere Spielarten wie BDSM?
Inhaltsverzeichnis: Das erwartet Sie in diesem Artikel
Sex in der Schwangerschaft
Die gute Nachricht zuerst: Gynäkolog sind prinzipiell überzeugt, dass Sex für eine schwangere Frau und ihr Baby grundsätzlich (sofern die Schwangerschaft ganz normal verläuft) keine schädliche Sache ist und bis vergleichsweise kurz vor der Geburt stattfinden darf.
Allerdings wird generell empfohlen: Je später in der Schwangerschaft, desto besser ist es, eine andere Stellung als die Missionarsstellung auszuprobieren, damit das Kind nicht auf der großen Hohlvene der Mutter landet und eine Kreislaufinstabilität bei Mutter auslöst.
Auch mit Sextoys ist aus anatomischen wie hygienischen Gründen noch mehr Vorsicht geboten. Denn wenn man sich durch unsachgemäßen Gebrauch von Sexspielzeug eine Infektion einfängt, kann sich auch das Kind mit infizieren – und das ist unter Umständen tatsächlich gefährlich.
In einigen wenigen Fällen sollte man (Frau!) während der Schwangerschaft auf Sex verzichten. Das können v.a. die folgenden sein: In jedem der genannten Fälle ist eine Rücksprache mit der Gynäkologin oder dem Gynäkologen erforderlich.
- vorzeitige Wehentätigkeiten (werden durch die im Sperma befindlichen Prostaglandine und das beim Orgasmus ausgeschüttete Oxytocin aufseiten der Frau zusätzlich verstärkt),
- Blutungen,
- ein verkürzter Muttermund,
- bereits passierte Fehlgeburten,
- Mehrlingsschwangerschaften oder
- einfach schlichtweg keine Lust auf Sex zu haben
Video: Sex in der Schwangerschaft – ist das gefährlich? | Hebamme Swantje gibt Tipps | DAK-Gesundheit
Was ist dran am Mythos, dass Schwangere per se eine schier unstillbare Lust auf Sex hätten?
Zwar stehen viele Schwangere im Verdacht, aufgrund des neuen Hormoncocktails wahre Sexmonster zu sein (und auf so manch eine mag das auch zutreffen), aber das gilt eben nicht für alle – und wenn eine Schwangere keine Lust auf klassischen GV hat, dann ist das kein Signal einer Krankheit beziehungsweise eines tiefergehenden Problems.
Zahlreiche Frauen haben ohnehin ein anderes Faible, das davon durchaus losgekoppelt sein kann: BDSM.
Und da BDSM ist deutlich mehr als nur Sex (im Sinne von Geschlechtsverkehr) ist, können auch BDSM Liebesspiele für die Schwangerschaft infrage kommen und sich als anderweitig befriedigend erweisen.
Was ist der Unterschied zwischen Sex und BDSM?
BDSM setzt sich aus mehreren Begriffen zusammen und bedeutet in der Langfassung
- B(ondage) = Fesselungen, die entweder eine eigene Kunstform (wie Shibari) darstellen oder zur Fixierung / Wehrlosmachung einer Person eingesetzt werden
- D(iscipline) / S(ubmission) = Disziplin und Unterwerfung, hierbei geht es vor allem um die geistige Führung und Hingabe
- S(adism) / M(asochism) = Sadismus und Masochismus, hierunter fallen vor allem Spielarten, die für eine Mischung aus körperlichem Schmerz und entsprechender Lust sorgen; wird gerne auch im Bereich D/S als Disziplinierungsmaßnahme bei ‚Fehlverhalten‘ genutzt
BDSM ist – streng betrachtet – kein Fetisch, weil es nicht vordergründig um die sexuelle Erregung durch spezielle Objekte, Materialien oder andere Sinneseindrücke geht.
BDSM und Fetische brauchen sich aber nicht gegenseitig auszuschließen. Auch kann klassischer Sex Bestandteil von BDSM sein, dies ist allerdings keine Voraussetzung.
Denn wenn man weiß, was den jeweils anderen triggert und erfüllt, kommen natürlich auch andere Spielformen infrage.
Die wichtige Sache mit der Einvernehmlichkeit
Genau wie beim Sex ist Einvernehmlichkeit (Consent) von großer Bedeutung. Es gibt verschiedene „Planungskonstruktionen“ wie RACK oder SSC (besonders bekannt – Sajeweiligenonsensual), wobei Letzteres häufig eine Rolle spielt. Es steht aber sicher außer Frage, dass das BDSM-Erlebnis erfüllend und positiv ausfallen soll – also ist es wichtig, Safewörter oder Ampelsysteme zu etablieren, die dem ausführenden (dominanten und/oder sadistischen) Part dabei helfen, einzuschätzen, ob gerade alles richtig läuft. Wie genau das im Einzelnen aussieht, ist natürlich Sache des jeweiloigen Paares.
Grundvoraussetzung für das Ganze ist natürlich ein ausreichendes Maß an Vertrauen, um die mit BDSM verbundene Nähe und Intimität zulassen zu können. Dementsprechend darf insbesondere aufseiten des dominanten / sadistischen Parts das medizinische Fachwissen und die emotionale Empathie nicht fehlen – insbesondere, aber nicht nur bei einem erotischen Spiel mit einer Schwangeren.
BDSM während der Schwangerschaft: Was ist mit den ganzen Emotionen?
Für viele Paare stehen natürlich auch körperbetonte Spielarten wie Spanking, anderweitige Schlagspiele oder Fisting im Fokus, wenn es um BDSM geht. Allerdings ist auch festzuhalten, dass auch die Psyche beim BDSM eine nicht zu unterschätzende Rolle spielt – gerade für so manch eine Frau ist der gekonnte Umgang mit ihr das Highlight beim BDSM (Stichwort Dominance und Submission ohne sadomasochistische Elemente).
Selbstverständlich kommt es vor, dass Schwangere auf einmal Lust darauf bekommen, etwas Neues auszuprobieren – und wenn man die richtigen Spielarten trifft, spricht ja auch nicht per se etwas dagegen.
Gleichzeitig berichten viele Frauen davon, dass sie emotional instabiler wurden und dadurch schneller zu einem unabsichtlich aggressiveren oder traurigeren Verhalten neigten. Dieser Umstand macht es dem dominanten Part logischerweise schwerer, die Situation und die Frau richtig einzuschätzen: Geht es schief, kommt es zu einem emotionalem Absturz – und der ist definitiv nicht wünschenswert.
Es ist also Fingerspitzengefühl gefragt, außerdem sollte man sich im Vorfeld über die folgende Frage ausführlichere Gedanken machen.
- Nehmen die ungeborenen Kinder an BDSM-Sessions eigentlich Anteil? Das hängt von der Schwangerschaftswoche ab – je später, desto mehr können sie mit ihren eigenen Sinnen (vor allem dem Hörsinn) wahrnehmen. In Bezug auf diesen gilt es, einen ‚netten‘ Tonfall aufzulegen, damit es merkt, dass alles schnieke ist. Zwar können Ungeborene noch keine Sprache verstehen, aggressive Stimmen aber bereits von ruhigen unterscheiden. Und niemand will seinem Nachwuchs durch die eigene Lust Angst bereiten.
Prinzipiell nehmen die Kinder aber eher über die Hormone Anteil – also sollte das Erlebnis für die Mutter idealerweise positiv sein. Und man muss sich von der Vorstellung trennen, dass die Gleichung ‚entspannte Mutter = entspanntes Kind‘ immer aufgeht.
- Ist der mit BDSM verbundene Adrenalin-Ausstoß für Mutter und Kind problematisch?
Meistens nicht, da es sich um ‚positiven‘ Stress handelt. Potenzieller Pluspunkt: Es gibt zusätzlich zum Adrenalin eine Portion Endorphine – und dieser Mix ist dem Hormoncocktail, der im Zuge der Geburt für Mutter und Kind ausgegeben wird, nicht ganz unähnlich.
- Sollten bestimmte Spielarten aufgrund von potenziellen Fehlgeburten prinzipiell ausgeschlossen werden? Tunnelspiele sind nicht so gut – gerade dann nicht, wenn mit Brennnesseln, Ingwer oder anderen ‚Brandstoffen‘ im Intimbereich gespielt wird. Grund dafür: Viele Frauen tendieren zu einer sensibleren, meist trockenen und empfindlichen Scheidenflora und einem Plus an Infektionen der Harnwege.
Ebenfalls wichtig zu wissen: Weil die Scheide stärker durchblutet wird und manchmal kleine Kapillare platzen, sind vaginale Blutungen (es muss ja nichts Schlimmes sein) keine Seltenheit – und so etwas wie Ingwer führt zu deren Verstärkung. Atemreduktions- und Würgespiele sind ebenfalls ungeeignet.
SM-Schlagspiele sind an sich nicht unbedingt problematisch, wenn man nicht schlagbare Stellen wie den Bauch ohnehin auslässt und nicht zu stark schlägt, weil entsprechende Schläge den Körper u. U. ebenfalls sehr anstrengen. Fisting nicht bei Blutungen und vorzeitigen Wehentätigkeiten – und auch ansonsten nur dezent. Wenn es der Frau keine Freude bereitet, sollte man sich aber ohnehin nicht diesem Spiel zuwenden.
- Was ist im Hinblick auf BDSM-Spielarten mit der Brust nach der Geburt zu beachten? Nicht auf die Brust schlagen, weil sich das negativ auf das Brustdrüsengewebe, die Milchgänge und den Milchfluss auswirken kann (Milchstau, Knotenbildung). Außerdem sollte man kein Parfum oder andere Duftstoffe auf den Dekolleté-Bereich, die Brust und die Brustwarzen aufbringen oder mit Wasser wieder abwaschen, bevor das Baby trinkt. Ansonsten kann es die olfaktorischen Signale der Warzenhof-Duftdrüsen nicht richtig ‚auslesen‘ und weiß vielleicht nicht, dass es an der passenden Stelle zum Trinken ist.
Fazit: BDSM in der Schwangerschaft – Ja oder nein?
Generell spricht nichts gegen BDSM in der Schwangerschaft, sofern bestimmte gesundheitliche Aspekte berücksichtigt werden – immerhin lässt er viel Raum für individuelle Kreativität und kann eine intime und emotional bereichernde Ergänzung / Abwechslung zum klassischen Geschlechtsverkehr darstellen.
Gleichzeitig ist zu berücksichtigen, dass er bereits prinzipiell einen starken emotionalen Trigger darstellen kann – nicht jede Schwangere kann damit in der Zeit vor der Geburt immer so um-gehen wie sie das vielleicht in anderen Situationen von sich selbst gewohnt ist. Als Partner oder Partnerin sollte man sich daher von seiner rücksichtsvollen Seite zeigen – und auch die werdende Mutter sollte nicht zu viel von sich selbst verlangen.
Generell ist S/M kein Spiel, bei dem es um die Erbringung von Höchstleistungen geht. Wer unbedingt an der eigenen Performance arbeiten möchte, bekommt nach der Schwangerschaft ohnehin mehr als genügend Gelegenheiten dazu. Und die Vorfreude kann ja auch äußerst prickelnd sein.