Noch bis vor einigen Jahrzehnten bestand die Familie aus Mutter und Vater, die miteinander verheiratet waren und ihre Kinder gemeinsam großzogen. Doch die Zeiten ändern sich. Immer mehr Paare leben ohne Trauschein zusammen und bekommen Kinder, und nicht immer bleiben sie zusammen.
Für Väter von unehelichen Kindern, leibliche Väter von sogenannten Kuckuckskindern (also Kinder die von einem Mann gezeugt wurden, aber einem anderen Mann als seine eigenen „untergejubelt“ wurden) und Samenspender war es bis vor kurzem sehr schwer, Umgang mit den eigenen Sprösslingen zu erkämpfen. Die Eltern, oder in manchen Fällen die Mutter des Kindes, konnten den Umgang verwehren.
Das hat sich im Juni 2013 gerändert. Ohne viel Medienrummel hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass beide leibliche Eltern ein Recht auf Umgang mit den Kindern haben. Bisher wurde dieses unangefochtene Recht meist nur der Mutter des Kindes zugesprochen. Laut Artikel 8 der Europäischen Menschenrechtskonvention ist das Familienleben geschützt.
Wenn leiblichen Väter der Kontakt zu ihren Kindern verboten wird, und sie von ihrem Leben ganz ausgeschlossen werden, wird gegen dieses Recht auf Familie verstoßen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat entschieden, dass in solchen Fällen im Einzelfall geprüft werden muss, ob ein Vater Kontakt zu seinem Kind haben sollte.
In Deutschland wurde diese Entscheidung schon einen Monat später, im Juli 2013, in die Gesetzgebung übernommen. Laut §1686a des Bürgerlichen Gesetzbuches haben leibliche Väter grundsätzlich das Recht auf Umgang mit ihren Kindern. Allerdings steht der Kontakt unter einer Bedingung: der Umgang mit dem Vater muss dem Kindeswohl dienen und der Vater muss ein ernsthaftes Interesse am Kind zeigen, und klar machen, dass er langfristig an der Entwicklung des Kindes teilhaben möchte.
• Leiblicher Vater muss ernsthaftes Interesse zeigen
• Wie kommt ein leiblicher Vater zum Sorgerecht?
• Was sind die Vor- und Nachteile der neuen Gesetzgebung?
• Kritik: hat der Gesetzgeber bis zu Ende gedacht?
Leiblicher Vater muss ernsthaftes Interesse zeigen
Doch wie wird ein ernsthaftes Interesse nachgewiesen, wie kann man so etwas überhaupt messen? Es kann zum Beispiel geprüft werden, wie oft der leibliche Vater versucht hat, Kontakt zu dem Kind zu bekommen (auch vor der gesetzlichen Neuregelung), wie und mit welcher Begründung er versucht hat, sein Kind regelmäßig zu sehen. Oft lässt sich hier schon erkennen, wer ein ernsthaftes Interesse gezeigt hat, für sein Kind da zu sein und Verantwortung zu übernehmen, auch wenn die Beziehung der Eltern möglicherweise auseinandergegangen ist.
Auch für Kinder, die aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen sind, gilt diese Regelung. So gibt es in Deutschland immer mehr gleichgeschlechtliche Paare, die sich den Kinderwunsch nur durch künstliche Befruchtung erfüllen können. Auch hier soll der biologische Vater eine Möglichkeit haben, an der Entwicklung des Kindes teilzuhaben.
Wie kommt ein leiblicher Vater zum Sorgerecht?
Möchte der leibliche Vater eines Kindes den Prozess in Gang setzen, damit er sein Kind regelmäßig sehen darf, muss er zuerst einen Antrag auf Umgang stellen. Wenn noch nicht eindeutig nachgewiesen werden kann, dass er der leibliche Vater des Kindes ist, muss zusätzlich einen Vaterschaftstest durchgeführt werden.
Besonders in Familien, in denen der rechtliche Vater bisher im Glauben lebte, er sei auch der biologische Vater des Kindes, kann dies zu Spannungen führen und die Beziehung der Eltern auf eine harte Probe stellen. Jugendämter und Beratungsstellen bieten hier Hilfe an, diese Situation zu meistern. Ist die Mutter des Kindes nicht mit dem gemeinsamen Sorgerecht einverstanden, kann der leibliche Vater – und hier greift die neue Regelung – das Jugendamt oder Familiengericht kontaktieren.
Das setzt sich dann mit der Mutter des Kindes in Verbindung, und bittet sie, innerhalb von 6 Wochen in einer Stellungnahme zu begründen, warum dem Antrag des leiblichen Vaters nicht stattzugeben sei. Die Gründe müssen allerdings mit dem Kindeswohl zusammenhängen, eine private Angelegenheit zwischen Mutter und Vater des Kindes hat auf das Recht des leiblichen Vaters auf Umgang mit dem Kind keinen Einfluss. Gibt es keine Gründe, wird im vereinfachten Verfahren das gemeinsame Sorgerecht gewährt. Die alte Regelung sah ein gemeinsames Sorgerecht nur vor, wenn die Mutter des Kindes ihre Zustimmung erteilte.
Was sind die Vor- und Nachteile der neuen Gesetzgebung?
Die neue Gesetzgebung steht im Interesse der Gleichbehandlung von Vätern und Müttern, aber an erster Stelle muss sie das Wohl des Kindes berücksichtigen. Als die Gesetzesänderung diskutiert wurde, geschah dies mit der Absicht, das Wohl des Kindes mit dem Recht auf Familie für alle zu verbinden.
Eines der Argumente für die neue Regelung war, dass Kinder so eine weitere feste Bezugsperson im Leben erhalten. Feste Bezugspersonen sind im Leben eines Kindes sehr wichtig, und können Kindern auch in schweren Zeiten helfen. Besonders wenn es zu Hause mal Krach gibt, oder im schlimmsten Fall zu einem Todesfall in der Familie kommt, ist es für das Kind von Vorteil eine weitere, feste Bezugsperson zu haben, zu der es ein Vertrauensverhältnis aufgebaut hat.
Werden die richtigen Parameter geschaffen, damit ein Kind seinen leiblichen Vater kennenlernen kann, kann diese Beziehung mit der Zeit intensiviert werden. Natürlich sollte klar sein, dass der leibliche Vater nicht versucht den rechtlichen Vater zu ersetzen oder zu verdrängen. Aber eine solche Bindung zwischen leiblichem Vater und Kind kann auch langfristig gepflegt werden, auch wenn die Kinder schon erwachsen sind. Spätestens wenn Kinder in die Pubertät kommen, hinterfragen sie ihre Identität, fragen sich woher sie kommen und von wem sie abstammen. Seinen leiblichen Vater zu kennen, kann helfen, seelisch stabiler zu werden und diese Identitätskrise zu überwinden. Besonders Kinder, die aus einer künstlichen Befruchtung hervorgegangen sind (sei es durch Unfruchtbarkeit oder eine gleichgeschlechtliche Beziehung der Eltern) haben viele Jahre lang nicht gewusst woher sie kommen. Mit der neuen Regelung ist ein Kontakt mit dem leiblichen Vater von Anfang an möglich und kann bei der Identitätsfindung helfen.
Der Nachteil, der sich aus der neuen Regelung ergibt ist ebenfalls auf das Kindeswohl bezogen. Es wird befürchtet, dass die Situation, sich einer völlig fremden Person gegenüber zu sehen, für ein Kind zu einer Stressbelastung werden kann.
Denn es ist ein Eingriff in seine gewohnte Umgebung. Auch besteht die Gefahr, dass ein Vater die Beziehung zum Kind nutzen könnte, um es negativ zu beeinflussen, oder über das Kind wieder Kontakt zur Mutter aufzunehmen. Allerdings fände dann der Umgang mit dem Kind aus persönlicher Motivation heraus statt, und könnte verweigert werden. Denn die Regelung sollte nicht dazu führen, dass Kinder zwischen zwei Stühlen sitzen.
Wenn beide Parteien daran interessiert sind, dem Kind den Kontakt zum leiblichen Vater zu gewähren, sollten sie das Kind auf das erste Treffen mit dem leiblichen Vater gut vorbereiten. Dies kann sowohl für Eltern als auch für das Kind schwierig sein.
Wenn die Mutter des Kindes nicht beim Treffen anwesend sein möchte, kann ab einem gewissen Alter – man geht vom Kindergartenalter aus, aber es sollte von Kind zu Kind abgewägt werden – das Kind seinen leiblichen Vater auch in einem geschützten Raum (Kinderhaus) unter Aufsicht treffen.
Für jüngere Kinder eignet sich diese Variante nicht, da es sie zu hohem emotionalen Stress aussetzen würde, länger von der Mutter getrennt zu sein.
Kritik: hat der Gesetzgeber bis zu Ende gedacht?
Diese neue Regelung stärkt die Position der leiblichen, unverheirateten Väter und ist nach langen Verhandlungen ein Schritt dahin, die Gesetzgebung der heutigen gesellschaftlichen Realität anzupassen. Denn in Deutschland hat inzwischen jedes 3. Kind Eltern, die ohne Trauschein zusammen wohnen. Immer mehr Väter kämpfen vor Gericht um gemeinsames Sorge- bzw. Umgangsrecht für Ihre Kinder.
Das gemeinsame Sorgerecht und der Recht auf Umgang mit dem leiblichen Kind kann in Zukunft nur noch ausgeschlagen werden, wenn das Wohl des Kindes gefährdet ist. So ist die neue Regelung ein Schritt in die richtige Richtung, allerdings ist sie für viele Kritiker noch nicht ausgereift genug. So fordern Kritiker beispielsweise, dass mit gleichen Rechten auch gleiche Pflichten kommen sollten.
Das bedeutet, dass Väter zwar das Recht haben, ihr Kind zu sehen, dieses Recht aber nicht an regelmäßige Unterhaltszahlungen gekoppelt ist. Es wird gefordert, dass Rechte und Pflichten besser ineinander greifen sollen, und manchen Kritikern fehlt ebenso eine gesetzliche Regelung auf Entzug des Sorgerechts, sollte der leibliche Vater nach ein, zwei oder drei Jahren seinen Pflichten nicht mehr nachkommen. Bisher kann dies nur im Sonderfall geregelt werden.
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